Customer Centricity – fast klingt dieses Wort wie eine Erfindung des Silikon Valley.
Doch der Schein trügt. Customer Centricity umschreibt einfach die Fähigkeit, einer anspruchsvollen Kundschaft ein einzigartiges Erlebnis zu geben. Läuft alles nach Plan, ist es ein Erlebnis, welches mit anderen Erlebnissen in Verbindung steht und dem Kunden durch die Marke ein regelrechtes Zuhause gibt.
Das Einzige, was hier wirklich neu ist, ist die Zielgruppe: War es in der ersten Hälfte des letzten Jahrtausends den höheren Ständen vorbehalten, einen personalisierten Service zu erhalten, prägt dieser jetzt die Bemühungen vieler Unternehmen. Dieser Service richtet sich an alle Kunden.
Customer Centricity – der Hochleistungssport der VUCA-Welt?
Im Gegensatz zu früher profitiert der Kunde heute von einer Vielzahl von Optionen. Auch, wenn er sich für ein Angebot entscheidet, ist seine Erwartungshaltung daran eine andere als früher. Dies liegt unter anderem daran, dass er einer Vielzahl von Eindrücken ausgesetzt ist. Naturgemäß verändert uns das, was wir ansehen. Es schärft unsere Wahrnehmung, es versieht uns ebenso mit Sympathie wie mit Ressentiments gegenüber Anbietern und Produkten. Durch diese Voreinstellungen entstehen konstant neue Wahrnehmungs- und Entscheidungsmuster.
Ein Beispiel:
Vor zwanzig Jahren interessierten sich die wenigsten Menschen für die Arbeitsbedingungen der Arbeiter in den Bekleidungsfirmen von Bangladesch. Heutzutage gilt dies jedoch als entscheidendes Kaufkriterium: Ein Jackett kann noch so toll sein – ist seine Entstehungsgeschichte fragwürdig, wird ein hoher Prozentsatz der Kunden eine „menschliche“ Produktionshistorie vorziehen.
Niemand wird der Kleidung ansehen, ob der Arbeiter dahin vegetiert hat oder einer ätzenden Säure ausgesetzt war. Das Wissen darüber wird jedoch das Gewissen des Kunden belasten. Insofern steht hier weitaus mehr zum Verkauf als nur Kleidung: Der Kunde kauft ein sauberes Gewissen. Er erlebt sich als Unterstützer einer ethisch vertretbaren Wertschöpfungskette – ja mehr noch: Der Kunde von heute erlebt sich als aktiver Gestalter dieser Kette. Als solcher will er sich gesehen und angesprochen fühlen.
Doch erfordert eine wirkungsvolle Customer Centricity eine weitaus präzisere Kenntnis als die öffentlich abrufbare Ethik: Ein Unternehmen, welches seine Kundenansprache und sein Angebot präzise abstimmen will, muss wissen, was der Kunde hinter verschlossener Tür redet. Es muss wissen, was den Kunden nachts wach hält.
Der Herzschlag des Kunden? In Echtzeit nur hinter geschlossenen Türen…
Ein großer Teil der Kundenkommunikation findet mittlerweile online statt. Facebook-Seiten und Gruppen sowie Online-Foren spiegeln mit gnadenloser Präzision wider, was der Kunde über ein Produkt oder über einen Service denkt.
Dies könnte zu der Annahme verführen, dass hier die ganze Wahrheit zu finden ist. Das ist falsch! Nicht umsonst werden die Online-Bewertungen auch als „die Rache des kleinen Mannes“ bezeichnet.
Noch lange nicht jeder Kunde sieht es als sinnvoll an, sich hier zu äußern. Ganz im Gegenteil: Die Maxime „ich versuche so wenige Spuren wie möglich im Netz zu hinterlassen“ bestimmt das Handeln vieler solventer Kunden. Fühlt diese Kundengruppe sich etwa durch einen miesen Service um das Markenversprechen geprellt, teilen sie es hinter verschlossenen Türen mit. Leise. Wirkmächtig. Mit herkömmlichen Methoden seltenst erreichbar.
Im Rahmen dieser Zielgruppe erfordert die Customer Centricity eine andere Strategie als bei den meisten anderen Kunden.
Mögen Sie Ihre Kunden?
Customer Centricity ist sicherlich anhand vieler Faktoren messbar. Vor allem aber ist sie eines: Für den Kunden ist sie spürbar. Der Kunde fühlt, ob man ihn mag – oder ob ihm lediglich anhand ausgeklügelter Formeln „ewige Liebe“ vorgegaukelt wird. Der Prüfstein für den Kunden findet spätestens im Service statt:
Ich bin erstaunt, wenn ich sehe, wie wenig Wert manche Unternehmen auf einen guten Service legen. Dabei wissen besonders gute Verkäufer:
„Der Verkäufer verkauft das erste Produkt – der Service jedes weitere.“
Es ist ein Zeichen von strategischer Kurzsichtigkeit, wenn ein Unternehmen sich einen Verkaufstrupp im Hochglanz-Format leistet – und einen vergleichsweise „bescheidenen“ After-Sales-Service.
Der Kunde honoriert das, indem er diese Produkte aussortiert. Dabei muss das negative Erlebnis noch nicht einmal klar umrissen sein: Es reicht, wenn der Kunde öfters überlegt, ob er jetzt auch wirklich den Service kontaktiert – oder sogar persönlich da vorbei fährt. Jedes innere Zögern aufgrund einer negativen Erwartungshaltung wird sich früher oder später im Ergebnis zeigen.
Customer Centricity, das ist mehr als ein Set ausgeklügelter Strategien. Es ist auch die konstant gepflegte innere Einstellung dem Kunden gegenüber. Kurz gesagt: Existiert im Unternehmen der Kunde als Feindbild, werden irgendwann ein unterkühlter Ton sowie spürbare überzogene Härte im Verhalten dem Kunden gegenüber für dessen Abwesenheit sorgen.
Die Austauschbarkeit – der schale Beweis des Desinteresses
Haben Sie schon einmal einen Gesprächspartner gehabt, dessen Worte vor X-Beliebigkeit nur so strotzten? Jeder andere, der da gesessen hätte, hätte wohl exakt die gleichen Worte gehört.
Falls das der Fall war, wie haben Sie diesen Gesprächspartner in Erinnerung? „Oh Mann, diese Persönlichkeit hat wirklich das gewisse Etwas. In gar keinem Fall darfst du diese Type aus deinem Leben verlieren…“?
Wohl kaum. Da helfen dann auch Superlative nichts: Gibt sich jemand keine Mühe, den Moment mit uns persönlich zu gestalten, hat er (oder sie) auch nicht uns vor Augen – sondern den eigenen persönlichen Gewinn.
Austauschbarkeit wird automatisch als Beweis für Desinteresse am Wohl des Kunden gewertet. Sie hat den Charakter eines schleichenden Giftes:
Nichts ist wirklich schlimm – aber häufig von einer Zähigkeit geprägt, die sich irgendwie schal anfühlt. Wir Menschen erleben und erinnern uns nun einmal anhand von herausragenden Momenten.
Die Austauschbarkeit hat da nicht das Geringste zu bieten.
Die Gebrüder Chip und Dan Heath haben in ihrem Buch „The Power of Moments“ (Die Macht des Moments) eine genaue Betrachtung dieses Phänomens angestellt. (1)
Sie kommen bezüglich des Erfolges von Customer Centricity zu unerwarteten Erkenntnissen.
Customer Centricity: Die Kunst, den Moment mit Leben zu füllen
Wissenschaftliche Forschungen haben ergeben, dass wir Menschen ein Erlebnis anhand von zwei Momenten bewerten:
- Den herausragenden Moment, auch „Peak“ genannt (positiv oder negativ)
- Das Ende
Diesem Phänomen, welches auch als „Peak-End-Rule“, also als „Höhepunkt-Ende-Regel“ bekannt ist, hat eine durchschlagende Wirkung auf die Erinnerung des Kunden – und sein nachfolgendes Verhalten.
Eine weitere Erkenntnis in diesem Zusammenhang offenbarte, dass der Kunde kein lineares Erleben zur Zeit hat: Die Länge des Erlebnisses gerät in seiner Erinnerung ins Hintertreffen.
In der Tat sind die beiden oben genannten Ereignisse die Schlüsselerlebnisse schlechthin.
Den Beweis liefert das Autoren-Duo anhand eines Hotels, welches wohl niemand so schnell als Traum-Destination Nr. 1 erkennen würde:
Das „Magic Castle Hotel“ in Los Angeles führte lange Zeit die Bewertungen der Hotels in Los Angeles an. (Trip Advisor)
Der Stil des Hotels erinnert etwas an die amerikanischen Serien, die von den großen Momenten der Alltags-Begegnungen erzählen. Und genau darauf ist auch das Marketing ausgerichtet.
Am Rande des etwas mickrigen Pools befindet sich ein rotes Telefon – die „Popsicle-Hotline“. Ein kurzer Anruf mit dem roten Telefon bringt in kürzester Zeit einen Service-Mitarbeiter an den Rand des Pools – mit Popsicle auf einem Silbertablett.
(Erinnern Sie sich noch an diesen irrsinnig süßen Eis-Tee, der in Bonbon-Farben zwei Saisons lang die Szenerie hier beherrschte? So in etwa ist auch Popsicle, nur ohne Maschine und am Stiel.)
Mit einem Kunstgriff ins Irrationale brachten die Erschaffer dieses Erlebnisses zwei Welten zusammen:
- Die Welt des Märchens (Wie bei der Wunschfee: Der Wunsch wird sofort wahr)
- Die Welt der kindlichen Unbeschwertheit (Ich sehe es, ich will es, ich esse es – egal, wie nützlich es ist…)
Wer hätte jemals gedacht, dass so etwas funktioniert?
Scheinbar jedoch ist an folgender Weisheit etwas Wahres dran:
„Gibt den Leuten nicht, was sie wollen. Gib Ihnen, wovon sie nie zu träumen wagten.“
Allerdings wäre dieses Vorgehen wohl kaum von Erfolg gekrönt gewesen, wäre es von einem übelgelaunten Service-Mitarbeiter gebracht worden.
Ein Gast, der dem Service schon ansieht, dass er „arbeitet“, fühlt sich sehr schnell als Belastung wahrgenommen.
(Nicht umsonst lautet deshalb auch wohl eine der meist getroffenen Aussagen verprellter Kunden „Ich war die Störung des Verkäufers.“ )
Solch eine Idee muss in ein stimmiges Service-Konzept eingebettet werden. Und das bedeutet? Na klar, es bedeutet, dass sich auch die Service-Mitarbeiter wohl fühlen.
Nur, wenn ihnen die Tools zur Verfügung gestellt werden, die ihnen auch ermöglichen, ihre Arbeit auf Dauer mit einer emotionalen Leichtigkeit auszuführen, kann die Customer Centricity erfolgreich sein.
Die Fähigkeit, sich mit anderen Menschen emotional zu verbinden
Eine Sache fällt mir bei Verkaufsgesprächen öfters auf: Das Gespräch hat eine geschliffene Rhetorik, einen richtigen Spannungsbogen, die Einwandbehandlung ist überzeugend.
Obwohl ich am Anfang nicht interessiert war, bin ich jetzt dem Kauf ein gutes Stück näher gerückt… Und dann kommt der Knick. Der Verkäufer merkt, dass das Gespräch vorbei ist. Er fällt emotional in sich zusammen – es ist, als hätte ich nie mit ihm geredet. Er scheint mich – verglichen zu seinem Auftreten noch vor wenigen Minuten – gar nicht mehr wirklich als Menschen oder als potentiellen Kunden wahrzunehmen. Schade!!!
Wohlgemerkt: Wir sprechen hier auch von Erlebnissen in einem Trend-Kaufhaus – mit Kundenkarte in gestaffelter Klassifizierung. Von der Kosmetik-Abteilung. Wie soll ich es ausdrücken?
Ich weiß, warum ich seit 2000 in einer Parfümerie treuer Kunde bin. Und ich weiß, warum ich dort Kunde geblieben bin, auch, wenn wir längst dort weg gezogen sind.
Dort kennt man mich. Die Persönlichkeiten, die dort die Verkaufsgespräche führen, zeichnet das aus, was alle guten Verkäufer auszuzeichnen scheint: Ich habe bei ihnen Zeit, Mensch zu sein. Mir das Ganze in Ruhe zu überlegen. Komme ich etwas später mit der Kaufentscheidung wieder, ist das die Bestätigung für die richtige Einschätzung meiner Person. (Und nicht einfach ein gewonnenes Incentive.)
Die Verkaufsgespräche, die ich hier führe, sind auch schon einmal recht kurz:
„Ist das was?“ „Für Sie nicht, Frau Becker.“
Ehrlichkeit macht sich bezahlt. Wenn auch manchmal erst etwas später.
Der Treiber – der unsichtbare Teil des Geschehens
Doch um so dieses Vertrauen und diese Begeisterung beim Kunden aufbauen zu können, muss eine wesentliche Bedingung erfüllt sein:
Die emotionale Leistung, die sogenannte „Gefühlsarbeit“ des Mitarbeiters muss vom Unternehmen in ihrem vollen Umfang gesehen und gewürdigt werden.

Denn längst geht es bei der Service-Leistung nicht mehr nur darum, eine Ware ordentlich zu vermitteln. Das Gefühlserleben selbst, welches der Kunde während der Dienstleistung hat, ist in unserer Gesellschaft zur Ware geworden. Auch, wenn es den unsichtbaren Teil des Geschehens abbildet, ist es der Treiber hinter der Handlung des Kunden – oder führt direkt zu ihm hin.
Das Gefühlsgedächtnis: Das Herz der Customer Centricity?
So drehen sich wesentliche Teile der Customer Centricity darum, ein „Gefühlsgedächtnis“ beim Kunden aufzubauen. Teilweise geschieht dies mit irrationalen Kombinationen wie bei der „Popsicle Hotline“. Doch ob es sich um den Verkauf eines Parfums, das Servieren einer Tasse Cafés oder die Lieferung eines Eises auf dem silbernen Tablett handelt: Stets sind die menschlichen Gefühle, die durch die Service-Leistung des Mitarbeiters aufgebaut werden zentraler Bestandteil des Markenerlebnisses. An sie wird der Kunde sich später erinnern. Von ihnen wird er erzählen. Und wegen ihnen wird er wiederkommen – oder eben nicht.
A la longue wird die Customer Centricity nur erfolgreich sein, wenn diese Leistung der Empathie mit einem nachhaltigen Back-Up und einer umsichtigen Zielsetzung versehen sind.
Werden sie vom Mitarbeiter als Entfremdung erlebt, weil er sich weder mit dem Unternehmen noch mit dem Kunden identifiziert, endet das Ganze in purem Stress.
Dieser wiederum kann zu psychosomatischen Symptomen führen, die dem Mitarbeiter die Lebensqualität rauben.
Die Autorin Arlie Russell Hochschild beschreibt diesen Vorgang in ihrem Buch „Das gekaufte Herz“: (2)
„Wenn wir aber die Welt betreten, in der Gewinn und Verlust zählen, wenn die psychologischen Kosten der Gefühlsarbeit von der Firma nicht honoriert werden, dann erfahren wir die ansonsten hilfreichen Trennung zwischen „mir“ und meinem Ausdruck als und meinen Gefühlen als potentiell entfremdend.“
Der erfolgreiche Aufbau von Customer Centricity gelingt nur mithilfe eines Toolsets, welches bei der Gestaltung auch schwieriger Situationen hilft.
Customer Centricity, das ist auch mal ein harter Einschnitt mit eleganter Geste
Es war eine grauenvolle Szene. Vorhang auf:
Samstag morgens im Konsum-Tempel. Ein älterer Herr sucht etwas. Dabei macht er nicht nur seine Frau, sondern zeitgleich auch ein paar Verkäufer so richtig fertig….
Der Herr, der sich offensichtlich in seinem eigenen Dauerzustand des Zorns sehr genoss, wollte eine Hose kaufen. Das an sich ist noch keine Herausforderung.
Diese begann jedoch, als der junge Verkäufer seiner Meinung nach offensichtlich irgend etwas falsch machte.
In Gegnwart seiner kreidebleichen Frau, die schon in respektvoller Entfernung stumm wartete, „ranzte“ der Kunde nun den jungen Verkäufer an.
Da diese Szene recht schnell in den Fokus der ganzen Umgebung geriet – schließlich polterte der Kunde ja laut rum – standen der hilflose junge Verkäufer und er bald im Mittelpunkt des allgemeinen Geschehens. Ein etwas älterer Kollege, der dem Jüngeren zur Hilfe eilte, brachte jetzt eine zweite Hose – und etwas Ruhe in die Situation. Nicht. Denn nun kam der er wahre Paukenschlag.
Der ältere Herr hielt es offensichtlich für Zeitverschwendung, zur Anprobe eine Kabine aufzusuchen – und ließ seine Hose kurzerhand vor dem Spiegel runter. Neben der voll besetzten Rolltreppe. Mitten in der Hosenabteilung. Angesichts seiner armen, kreidebleichen und stummen Frau, die sich offensichtlich sehr schämte.
Da stand der Kunde jetzt – vollkommen desinteressiert an der teils glucksenden, teils schockierten Zuschauermenge.
Mittlerweile war nicht nur die Frau an seiner Seite kreidebleich sondern auch die zwei hilflos wirkenden Verkäufer. Wie ist es möglich, stilvoll in so einer Situation den Schaden zu begrenzen – oder sogar anzuwenden?
Aggressionsfördernde und aggressionsmildernde Impulse
Hier wäre es richtig gewesen, dem Kunden gegenüber eine deutliche Linie zu ziehen. Natürlich hätte diese durch eine stilvolle Verhaltensweise zum Ausdruck kommen müssen. (Schließlich soll er ja Kunde bleiben.)
Gleichzeitig hätte sie sofort klare Verhältnisse ordnen können. Denn: Je länger der Kunde mit seinem rüden Auftreten die Situation dominiert, um so näher rückt der Tipping Point.
Eindeutig ging es in dieser Situation um die Anwendung einer aggressionsmildernde Geste – je früher, je besser.
Auftrittskompetenz – ein nachhaltiger Faktor der Customer Centricity
Richtig wäre hier gewesen, dem Kunden schon die erste Hose nicht in die Hand zu geben, sondern ihn eben mit höflichen, aber sehr klaren Worten zur Umkleide zu begleiten. „Ich darf Sie zur Umkleidekabine begleiten.“ Eine kurze klare Geste mit dem Arm, der in Richtung der Umkleide weist, hätte das aggressionsmildernde Auftreten unterstützt. Wäre der Mitarbeiter dann noch selbstverständlich – ohne Abzuwarten – voraus gegangen, hätte er eine ganz neue Situation aufgebaut.
Offen gestanden: Dies ist dann natürlich kein Angebot, sondern eher ein Befehl. (Allerdings ein sehr elegant getarnter Befehl.) Übrigens ist hier auch der Zeitpunkt wichtig: Direkt, als er den jungen Verkäufer wegen eines vermeintlichen Fehlers „anranzte“, hätte der ältere Kollege den jüngeren so aus „der Schusslinie“ der öffentlichen Demütigung nehmen können. Außerdem hätte er dem aufmerksamkeitssüchtigen Kunden so „die Nahrung und die Bühne“ entziehen können.
Denn es kann nicht sein, dass ein Kunde durch seine selbstgefällige, soziale Rohheit seine ganze Umgebung verstört.
Customer Centricity – zum Wohle aller Kunden und der Mitarbeiter
Obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass dieser Mann das Wort „Customer Centricity“ noch nie gehört hatte, lebte er sie mit größtmöglicher Rücksichtslosigkeit aus.
Dies tat er auf Kosten aller anderen: Seiner armen Frau und der Verkäufer, die er vor den anderen Kunden degradierte und behandelte „wie die letzten Trottel“.
Ganz offen? Hier hätte Customer Centricity bedeutet, dass im Sinne aller Kunden – und der Mitarbeiter – gehandelt wird. Denn letztere sind durch das übergriffige Auftreten des Kunden emotional deutlich sichtbar belastet worden. Wie sollen Mitarbeiter, die solche Erfahrungen ungeschützt häufiger machen, empathisch auf ihre Kunden eingehen? Sie werden irgendwann Selbstschutzmechanismen entwickeln, die dem Unternehmen schaden.
„Wer nicht die zerbrechliche Seite von Menschen würdigt, wird auch nie dauerhaft ihre großen Begabungen erleben.“
Customer Centricity? Das ist auch eine Frage der Psycho-Hygiene eines Unternehmens – und seiner Vision
Können Sie sich vorstellen, was passiert, wenn solche Vorfälle einfach so ablaufen können, ohne dass jemand eine Linie zieht?
Das Kaufhaus wird im Laufe der Zeit Kunden mit einem gewissen Sinn für Ästhetik verlieren. Es wird eine ungute Anziehungskraft auf „krawallige“ Kunden entwickeln.
Kann sich ein seriöses Unternehmen das heute noch leisten?
Wer wollen Sie morgen für Ihre Kunden sein?
Customer Centricity ist nicht nur eine Frage der Höflichkeit und des seriösen Auftretens dem Kunden gegenüber.

Es ist auch eine Frage der Vision: Welche Kunden soll ein Unternehmen jetzt und in der Zukunft anziehen? Welche Kunden kommen nicht infrage?
Anhand dieser Frage sollten auch Grenzen gezogen werden: Wer sind wir – wer sind wir nicht? Wer wollen wir morgen für unsere Kunden sein?
Die Beantwortung dieser Fragen fördert eine Leitlinie für das Auftreten der Ansprechpartner: Welche Situationen sollten sie erfolgreich gestalten können?
Wie können Sie die Marke mit gestalten – auch, indem sie stilvoll Grenzen ziehen?
Nur, wenn jeder einzelne Mitarbeiter sich wohl damit fühlt, seinen Teil zur Unternehmensvision beizutragen, wird die Customer Centricity zum Gesamtbild beitragen.
Fazit:
Customer Centricity ist heute weitaus mehr als „Der Kunde ist König“ und ein freundliches Dauer-Lächeln. Sie bezieht auch die zahlreichen Optionen und Perspektiven mit ein, die sich dem Kunden durch die VUCA-Welt bieten. Customer Centricity bezieht wesentliche Impulse aus dem Behavioral Design. So werden einmalige Markenerlebnisse für den Kunden auf zwei Säulen aufgebaut: Idealerweise ist so ein Höhepunkt das einzigartige Erlebnis, welches der Kunde im Kontakt mit dem Service erfährt. Vollständig wird diese Erfahrung auf den zwei Säulen durch einen beeindruckenden Abschluss.
Die Auftrittskompetenz ermöglicht die erfolgreiche Umsetzung des Konzeptes. Sie stellt die Tools bereit, die das Markenerlebnis unterstützen.
Die Customer Centricity funktioniert langfristig nur, wenn sie auch das emotionale Wohlergehen der Mitarbeiter berücksichtigt. In gar keinem Fall dürfen diese als eine Art „Überdruckventil“ für sozial verrohte Kunden herhalten. Haben die Mitarbeiter keine Möglichkeit, sich mit den Zielen und Werten des Unternehmens zu identifizieren, können sie auch diesen Prozess nicht erfolgreich gestalten. Dann fällt das Markenerlebnis irgendwann ein Stück weit der emotionalen Kälte, Härte oder der Austauschbarkeit anheim. Beides sind die natürlichen Feinde der Customer Centricity und entfalten für die Marke à la longue eine zerstörerische Wirkung.
Eine nachhaltige Erfolgsstrategie lebt von einem Gefühlsgedächtnis, welches beim Kunden aufgebaut wird. Soll der Wettbewerbsvorsprung hierbei ausgebaut werden, ist die Kenntnis zweier Dinge wichtig:
- Es muss bekannt sein, was der Kunde hinter verschlossener Tür redet.
- Es muss bekannt sein, was ihn nachts wach hält.
Diese Faktoren gilt es, in den Auftritt des Service oder des Verkaufs mit einzubeziehen. Denn es sind die unsichtbaren Dinge, die als Treiber für Entscheidungen fungieren.
Durch die Auftrittskompetenz ist es möglich, eine Welt zu erschaffen, in der der Kunde sich wohl fühlt und die er immer wieder gerne aufsucht.
Ein Unternehmen, welches diesen Ansatz als ganzes Team angeht, legt einen nachhaltigen Grund für seinen Wettbewerbsvorsprung und seine Zukunftsfähigkeit.
Sie möchten jetzt Ihren Wettbewerbsvorsprung untermauern oder ausbauen? Kontaktieren Sie mich am besten noch heute.
Kontakt:
Patrizia Becker
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Mobil: 0175/2245146
Literaturverzeichnis:
„The Power of moments. Why some experiences have extra-ordinary impact“ Chip and Dan Heath
„Das gekaufte Herz. Die Kommerzialisierung der Gefühle“ von Arlie Hochschild